Industrie 4.0 über Landesgrenzen hinweg
01.02.2019
Viele Industrieunternehmen sind heute an verschiedenen Standorten und in mehreren Ländern aktiv. Doch obwohl überall die gleichen Maschinen stehen und identische Produktionsvorschriften gelten, variiert oftmals die Qualität der Produkte, die in verschiedenen Werken hergestellt werden. Forscher aus Deutschland und Schweden entwickeln deshalb eine Technologie, mit der sich eine vernetzte Produktion für die Industrie 4.0 sogar über Ländergrenzen hinweg realisieren lässt. Das Ergebnis ist das „Swedish-German Testbed for Smart Production“, in dem künftig neue Technologien für die vollständig vernetzte Produktion entwickelt und geprüft werden können.
Um die Vernetzung zwischen verschiedenen Standorten und Ländern zu testen, verteilt sich das Testbed auf drei Standorte: Aachen, Chemnitz und Stockholm. Mit von der Partie sind unter anderem die drei Aachener Fraunhofer-Institute für Produktionstechnologie IPT, für Lasertechnik ILT sowie für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU aus Chemnitz, das Powertrain Manufacturing for Heavy Vehicles Application Lab an der Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm, die Fahrzeughersteller Scania und Volvo sowie der schwedische Telekommunikationskonzern Ericsson.
Die ersten Produkte, für die derzeit im schwedischen Testbed eine vernetzte Produktion aufgebaut wird, sind Getriebeteile, die in Nutzfahrzeugen von Scania und Volvo zum Einsatz kommen. An diesem Beispiel wollen die Experten gleich in mehrfacher Hinsicht Verbesserungen gegenüber der herkömmlichen Produktion erreichen. Einer der Beispielprozesse ist die Bearbeitung von Metallteilen in Werkzeugmaschinen, in denen ein Werkstück durch den Fertigungsprozess „Wälzschälen“ in ein Hightech-Getriebeteil verwandelt wird; bei diesem Prozess wird vom Bauteil – wie der Name schon andeutet – Metall hochpräzise abgeschält.
„Es kommt hier auf Präzision im Bereich weniger Mikrometer an“, erklärt Professor Thomas Bergs vom Fraunhofer IPT. „Wälzschälen ist ein sehr dynamischer Prozess. Wenn im Fertigungsprozess Vibrationen entstehen, zum Beispiel, wenn ein Werkzeug verschlissen ist, können in Sekundenbruchteilen Schäden auftreten. Diese Schäden werden in der Regel erst bei der Funktionsprüfung des fertig montierten Getriebes entdeckt, was hohe Kosten nach sich zieht.“ Befestigt man aber direkt am Werkzeug oder am Bauteil Vibrationssensoren, die ihre Information via 5G-Mobilfunk an die Zentrale senden, kann man schnell eingreifen. Nur mit 5G wird die nötige Latenzzeit unterschritten, um innerhalb weniger Millisekunden reagieren zu können und so Schäden zu verhindern.
Treten heute beim Kunden an einem Bauteil Schäden auf, weil das Bauteil fehlerhaft ist, dann ist die Fehlersuche oftmals eine zeitraubende Angelegenheit. Denn nicht immer ist klar, an welcher Stelle der Produktionskette der Fehler entstanden ist. Werden aber während der Herstellung bereits alle verfügbaren Daten mit Sensoren aufgenommen und in der unternehmenseigenen Cloud gespeichert, ist eine lückenlose Dokumentation der Fertigung möglich.
Die vernetzten Testumgebungen bringen viele Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammen und bieten den Partnern die Chance, voneinander zu lernen. Besonders kreativ sei die Zusammenarbeit auch, weil durch die internationalen Partnerschaften verschiedene Mentalitäten zusammenkommen. „Die Schweden sind neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen, insbesondere im Bereich der Kommunikation“, ergänzt Jannik Henser von der KTH Stockholm, der selbst schon länger in Schweden lebt. „Die deutschen Partner wiederum bringen beispielswiese ihre Expertise aus dem Werkzeugmaschinenbau ein. Diese Kooperation ist weit mehr als die Summe ihrer Teile.“
Weitere Informationen finden Sie hier.