Massiv skalierte 5G Campusnetze
Der wachsende Ausbau erneuerbarer Energien beruht zu einem großen Teil auf verschiedenen Arten von Sonnenenergie. Während Hausbesitzer sich die Kraft der Sonne durch Photovoltaik-Module auf den Dächern ihrer Häuser nutzbar machen, wird Sonnenenergie auch in größeren Maßstäben zur klimafreundlichen Energieversorgung gewonnen. Solarthermische Kraftwerke, auch Concentrated Solar Power (CSP) genannt, sind dabei vielversprechende Lösungen. Mithilfe zehntausender motorisierter Spiegel werden Sonnenstrahlen über den Tagesverlauf reflektiert und auf einen zentralen Empfänger gebündelt, der diese Sonnenenergie in elektrische Energie für das Stromnetz umwandelt [1] oder für chemische Prozesse verfügbar macht. Mit den hohen Temperaturen lässt sich Synthesegas herstellen, das zu CO2-neutralem Treibstoff für den Flugverkehr weiterverarbeitet werden kann und so ebenfalls einen wesentlichen Beitrag gegen den Klimawandel leistet [2].
Die damit verbundene präzise Ausleuchtung des Empfängerturms durch regelmäßige Ansteuerung der Spiegel, auch Heliostaten genannt, stellt dabei große Herausforderungen an Kommunikationslösungen. Aktuelle CSP-Kraftwerke nutzen dafür im Boden installierte Kabelnetze, die jedoch teuer in der Installation und der Wartung sind. Zusätzlich sind weitere Kommunikationslinks erforderlich, die den zuverlässigen Betrieb der Anlage sicherstellen, etwa Wärme- und Wolkenkameras, sowie Wartungsmitarbeiter im Feld und zukünftig auch drohnengestützte Kalibrierung der Heliostate. Vor diesem Hintergrund hat sich der Lehrstuhl für Kommunikationsnetze der TU Dortmund im 5hine-Projekt die Leistungsfähigkeit von 5G Lösungen in den hochskalierten Umgebungen von CSP-Kraftwerken mit seinen sehr heterogenen Anforderungen an die Kommunikation auseinandergesetzt.
Funkkanalmessungen als Basis für realtechnische Simulationsmodelle und Laborkonfigurationen
Das vom 5hine-Projektpartner Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene CSP-Kraftwerk in Jülich stellt die besondere Möglichkeit zur Verfügung, verschiedene 5G-Lösungen in realtechnischen Umgebungen zu erproben (Abbildung 1).
Die Spiegelfelder mit metallbedampften Oberflächen und motorisierten Stahlkonstruktionen bringen eine besondere Kanalcharakteristik in die Leistungsanalyse ein, die für die durchzuführenden Skalierbarkeitssimulationen möglichst realitätsnah abgebildet wurden. Dazu wurden im solarthermischen Kraftwerk flächendeckende Verfügbarkeits- und Qualitätsmessungen von privaten 5G-Mobilfunkzellen bei verschiedenen Frequenzen und Antennenhöhen durchgeführt (Abbildung 2) und in empirische Kanalmodelle überführt (Abbildung 3).
Die Ableitung von Kanalmodellen aus der Realumgebung sowie die Abbildung umgebungsspezifischer Kanalmodelle wurde anschließend in die Simulationsumgebung zur Identifizierung von Engstellen sowie in einen Laborzwilling eines CSP-Kraftwerks zur Erprobung von Optimierungsansätzen überführt.
Herausforderung: Massive Skalierbarkeit am Beispiel von CSP-Heliostatenfeldern
Zur Untersuchung der Skalierbarkeit in 5G-Netzen wurden verschiedene Lösungen simulativ und analytisch evaluiert. Hierzu wurde das ns-3 Simulationsframework um den Support von NB-IoT Netzen erweitert. Mit seiner schmalen Bandbreite sind NB-IoT-Netze optimiert für die Übertragung kleiner Datenmengen und qualifizieren sich damit für die Übertragung der Heliostatenkommunikation, die typischerweise 50 Bytes pro Übertragung beträgt. Dennoch stellen die große Menge an individuellen Heliostaten sowie das hohe Übertragungsintervall von Heartbeats und Zielpunktwechseln große Herausforderungen an NB-IoT Netze. Die Skalierbarkeitsanalyse von NB-IoT-Netzen für die Heliostatenkommunikation zeigt, dass kommerzielle Konfigurationen für den Einsatz in lokalen 5G mMTC Campusnetzen nicht geeignet sind. Die Notwendigkeit öffentlicher, urbaner Netzkonfigurationen eine Kellerabdeckung für Sensoren auch am Zellrand großflächiger NB-IoT-Zellen bereitstellen zu müssen entfällt im CSP-Anwendungsfall, sodass die Zellkonfiguration auf höchste Effizienz optimiert werden kann. Zusätzlich zur Optimierung der Übertragung kleiner Datenmengen durch Early Data Transmission (EDT) wurde mittels Simulationen und analytischer Modelle eine optimale Zellkonfiguration für NB-IoT Campusnetze in CSP-Kraftwerken identifiziert (Abbildung 5). Da die Zellkonfiguration auf einen maximalen Pfadverlust von 144 dB und eine Transportblockgröße von 125 Bytes optimiert wurde, können die Ergebnisse auch auf andere, gleichartige 5G Feldinstallationen wie beispielsweise der Prozessindustrie übertragen werden, die viele verteilte Teilnehmer mit hohem Übertragungsintervall integrieren.
Basierend auf den Ergebnissen des 5hine-Projekts können Vorschläge zur Erweiterung von kommunikationstechnischen Standards für höhere Flexibilität beim Einsatz von NB-IoT in 5G Campusnetzen abgeleitet werden. Insbesondere die unterstützten Frequenzbänder sollten für NB-IoT Modems erweitert werden. Für lokale Netze sind höhere Frequenzbänder oberhalb von 1 GHz wie beispielsweise Band n78 vielversprechend, um NB-IoT in den Guardbands von 5G NR-Campusnetzen zu betreiben. Zusätzlich kann die Zellkapazität durch eine Erhöhung der maximal möglichen Frequenzträger erweitert werden, welche in den aktuellen Mobilfunkstandards auf 15 Non-Anchor Carriers limitiert sind. Insbesondere vor dem Hintergrund eines möglichen TDD-Betriebs von NB-IoT in Campusnetzen bedarf es einer erweiterten Zellkapazität, die durch weitere Frequenzträger sichergestellt werden kann.
Experimentalaufbau zur labortechnischen Abbildung von Mobilfunknetzen in solarthermischen Kraftwerken
Unter Einsatz SDR-basierter 5G Basisstationen wurde ein CSP-Kraftwerk mit motorisierten 5G New Radio Heliostaten nachgebaut und für Evaluierungen und Optimierungen der Koexistenz heterogener Datenratenanforderungen eingesetzt (Abbildung 6). Mittels eines steuerbaren LED-Scheinwerfers als Nachbildung der natürlichen Sonnenbewegung wurde der Ablauf in realen CSP-Kraftwerken nachgestellt. Das von den nachzuführenden Spiegeln reflektierte Licht wird von einem Helligkeitssensor am Empfängerturm erfasst und bietet die Möglichkeit der Auswertung der Effizienz der Heliostatenausrichtung. Um große Heliostatenfelder abzubilden, wurden die Heliostaten als Datenverkehrsgeneratoren entworfen, die durch eine Vervielfachung der individuellen Datenpakete der Laborheliostaten eine beliebige Anzahl von Feldheliostaten abbilden können. Im hochskalierten Aufbau generiert jeder Laborheliostat so das Verkehrsaufkommen von bis zu 14.000 realen Heliostaten für herausfordernde 5G Campusnetzbedingungen. Ein neu entwickelter digitaler Zwilling von CSP-Kraftwerken ermöglicht im Labor die Echtzeitüberwachung und -steuerung des gesamten Aufbaus.
Optimierung: Bedarfsgerechte Entwicklung datengetriebener modellprädiktiver Kommunikation
Eine wesentliche Herausforderung an die Kommunikation in den 5G-Netzen stellt die große Anzahl an Heliostaten dar, die insbesondere bei wechselhaftem Wolkenzug in kleinen Intervallen neue Zielpunkte ihrer individuellen Sonnenreflexion zugewiesen bekommen. Um die Stabilität des Gesamtsystems sicherzustellen, ist eine Optimierung des Kommunikationsverhaltens aller Teilnehmer erforderlich. Basierend auf einem gemeinsam im Projektkonsortium entwickelten Anforderungskatalog der verschiedenen Kommunikationsknoten (Heliostate, Kalibrierdrohne, Wetterstationen, Wolkenzug-, Wärme- und Überwachungskameras sowie Feldwartung und -kalibrierung) wurden dynamische Datenraten definiert, abhängig von der Kritikalität der Anwendung. Steigt während einer starken Wolkenperiode der Kommunikationsbedarf der Heliostaten an, werden andere Anwendungen wie die Boden- oder drohnenbasierte Kalibrierung des Systems pausiert oder gedrosselt, um mehr Netzressourcen für die Heliostaten bereitzustellen (Abbildung 7). Für den unterbrechungsfreien Betrieb des Kraftwerks wurden Prädiktionsmodelle erstellt, die, basierend auf dem aktuellen und vergangenen Wolkenzug, den Kommunikationsaufwand und somit Ressourcenbedarf des Heliostatenfeldes prädizieren und frühzeitig Breitbandanwendungen drosseln können.
In labortechnischen Untersuchungen wurde der Einfluss der modellprädiktiven Kommunikation auf die Stabilität des Gesamtsystems erprobt (Abbildung 8). Für die internationale Übertragbarkeit wurde die Bandbreite der 5G NR-Zelle auf 30 MHz limitiert.
Die Ergebnisse zeigen die Effektivität des kombinierten Ansatzes des Uplink Network Slicings und modellprädiktiver Datenratenanpassung. Während die Servicequalität der Heliostatenkommunikation bereits durch Uplink Network Slicing sichergestellt werden kann, werden durch frühzeitiges Drosseln von nicht-kritischen eMBB-Anwendungen wie der Kalibrierdrohne auch weitere Servicequalitätsanforderungen eingehalten.
Ein modellprädiktives Steuern der 5G Netzwerkkommunikation via Network Slicing und Drosselungen motiviert die Implementierung einer echtzeitfähigen, Machine Learning-basierten Steuerungsinstanz im Radio Access Network (RAN). Zusätzlich gewährleistet Quelloffenheit, dass das Steuerungsverhalten ja nach konkreter Ausprägung des Anwendungsszenarios angepasst werden kann. Das Open RAN Konzept, angetrieben und standardisiert von der O-RAN Alliance, erfüllt diese Kriterien und bietet daher Potential für zukünftige Arbeiten. O-RAN ist maßgeblich definiert durch die Implementierung eines offenen RAN Intelligent Controllers (RIC), welcher standardisierte Zugriffe auf zentrale Komponenten des RANs ermöglicht. Dadurch ist es möglich, eine sog. xApp für Anwendungsfälle wie dem 5hine-Projekt zu entwickeln, welche den RIC als Plattform nutzt um zum einen netzbezogene Leistungsindikatoren aus dem RAN zu aggregieren, und zum anderen basierend darauf Steuerungsbefehle an das RAN zu senden. Eine konkrete Umsetzung für das oben beschriebene Szenario ist in Abbildung 9 skizziert.
Werden die Ergebnisse und Erkenntnisse der kommunikativen Leistungsanalysen im Forschungsprojekt 5hine zusammengefasst, dann stellt sich in erster Linie die hohe Leistungsfähigkeit und Flexibilität von 5G-Lösungen heraus. Die Heterogenität der Anwendungen in solarthermischen Kraftwerken von einer massiven Anzahl von Heliostaten mit kleinen Datenraten bis hin zu wenigen Anwendungen mit jedoch sehr hohen Datenratenanforderungen wie beispielsweise Kalibrierdrohnen hat das hohe Potential wie auch Grenzen der 5G-Lösungen aufgezeigt, die in einem realen Szenario wie CSPs auftreten. Gemeinsam mit den Projektpartnern konnten so im 5hine-Projekt 5G-Lösungen real- und labortechnisch sowie in umfangreichen Simulationen untersucht und bewertet werden. Die Ergebnisse wurden Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen Mona Neubaur bei einem Projekttreffen im Mai 2024 präsentiert (Abbildung 10).
Die Ergebnisse des 5hine-Projekts wurden in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten präsentiert, die bereits veröffentlicht wurden oder aktuell den Peer-Review-Prozess durchlaufen, u.A.:
- P. Jörke, T. Gebauer, C. Wietfeld, „From LENA to LENA-NB: Implementation and Performance Evaluation of NB-IoT and Early Data Transmission in ns-3“, In Workshop on ns-3 (WNS3), Online, June 2022. (Best Paper Award).
- P. Jörke, T. Gebauer, S. Böcker, C. Wietfeld, „Scaling Dense NB-IoT Networks to the Max: Performance Benefits of Early Data Transmission“, In 2022 IEEE 95th Vehicular Technology Conference (VTC-Spring), Helsinki, Finland, June 2022.
- P. Jörke, D. Ronschka, C. Wietfeld, „Performance Evaluation of Random Access for Small Data Transmissions in Highly Dense Public and Private NB-IoT Networks“, In 2023 IEEE 97th Vehicular Technology Conference (VTC-Spring), Florence, Italy, June 2023.
- P. Schwarzbözl, I. Miadowicz, D. Maldonado Quinto, J. Golembiewski, P. Jörke, T. Faulwasser, C. Wietfeld, „5G as Communication Platform for Solar Tower Plants“ In 29th International Conference on Concentrating Solar Power and Chemical Energy Systems (SolarPACES 2023), Sydney, Australia, October 2023.
- R. Wiebusch, P. Jörke, C. Wietfeld, „Experimental 5G Platform for Managing Mixed-Critical Traffic using Network Slicing in Concentrated Solar Power Plants“, In 2024 IEEE International Conference on Communications, Control, and Computing Technologies for Smart Grids (SmartGridComm), Oslo, Norway, September 2024.
[1] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, „Konzentrierte Sonnenpower erzeugt Wärme, Strom und Brennstoffe“, verfügbar unter: https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2021/01/20210330_studie-solarthermie
[2] Marcus Theurer, „Fliegen mit Solarsprit“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.06.2024, S. 22