Wettbewerbsfähigkeit Europas: Telekommunikationssektor als wichtiger Faktor identifiziert

Mario Draghis Bericht betont die Rolle des Telekommunikationssektors und fordert Reformen, um die digitale Wettbewerbsfähigkeit der EU global zu verbessern.

Mario Draghi, ehemaliger Ministerpräsident Italiens und ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank, hat im Auftrag der Europäischen Kommission den Bericht „The future of European competitiveness“ verfasst, der die wirtschaftlichen Herausforderungen der EU in den kommenden Jahren beleuchtet. Der Bericht hebt besonders die wachsende Produktivitätslücke zwischen der EU und den USA hervor und unterstreicht die Dringlichkeit, die Innovationsbemühungen in Europa zu verstärken. In diesem Zusammenhang weist Draghi auf die Gefahr hin, dass Europa im Bereich der Schlüsseltechnologien – insbesondere im digitalen Bereich – gegenüber den USA und China zurückfallen könnte.

Ein Schwerpunkt des Berichts liegt unter anderem auf dem Telekommunikationssektor. Dieser wird neben der künstlichen Intelligenz und der Halbleiterindustrie als Schlüsselfaktor für die Digitalisierung Europas identifiziert wird.

Fragmentierung des europäischen Telekommunikationssektors

Der Bericht beschreibt den europäischen Telekommunikationssektor als stark fragmentiert. Es gibt 34 Mobilfunknetzbetreiber und 351 virtuelle Netzbetreiber, was Investitionen in neue Technologien, wie bspw. 5G und zukünftig 6G, erschwert. Im Vergleich dazu sind die Märkte in den USA und China durch wenige große Akteure geprägt, die in der Lage sind, erhebliche Mittel in Netzwerke und Innovationen zu investieren. Darüber hinaus liegen sowohl die Einnahmen wie auch die Investitionen der MNOs pro Nutzer*in innerhalb der EU deutlich unter den Werten der USA.

Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit

Um den Herausforderungen im Telekommunikationssektor zu begegnen, schlägt der Bericht mehrere Maßnahmen vor. Diese zielen darauf ab, die regulatorischen Hürden zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken:

1.  Reform der Regulierung und Wettbewerbspolitik: Das Ziel besteht darin, den Digitalen Binnenmarkt durch Harmonisierung der Regulierungen und die Förderung grenzüberschreitender Fusionen zu vollenden. Präventive Regulierungen sollen reduziert werden, während die Durchsetzung nachträglicher Maßnahmen bei Wettbewerbsverstößen gestärkt werden soll.

2. Harmonisierung von Frequenzlizenzen: Angestrebt wird die Harmonisierung von EU-weiten Vorschriften und Auktionsverfahren für Frequenzen, einschließlich der Satellitennutzung. Beginnend mit 6G soll bis 2035 eine vollständige Harmonisierung erreicht werden. Die Lizenzdauer soll verdoppelt und der Wiederverkauf ermöglicht werden, um Investitionen zu fördern. Frequenzreservierungen werden abgeschafft, während Höchstgrenzen für Spektrumbesitz nur bei marktbeherrschenden Stellungen gelten sollen.

3. Vereinfachung der Cybersicherheitsvorgaben: Geplant ist die Harmonisierung der Cybersicherheits- und Abhörregelungen auf EU-Ebene sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit der EU-Cybersicherheitsbehörden. Einheitliche, verhältnismäßige und technologieneutrale Vorschriften für kritische Infrastrukturen sollen eingeführt werden.

4. Förderung neuer Infrastrukturen: Zur Steigerung von Investitionen in neue Technologien sollen Enddaten für ältere Technologien festgelegt werden, wie z. B. für Kupfernetze und 2G-Frequenzen. Für gefährdete Bevölkerungsgruppen ist ein sozialer Schutz vorgesehen. Neue Investitionen in Glasfaser, 5G und IoT sollen dereguliert werden.

5. „Passporting“ für B2B-Dienste: Betreibern wird die Möglichkeit gegeben, ihre Dienste EU-weit anzubieten, unabhängig vom Sitz des Unternehmens.

6. Stärkung EU-basierter Telekommunikationsausrüstungs- und Softwareanbieter: Zur Stärkung der technologischen Autonomie der EU sollen EU-basierte Ausrüstungs- und Softwareanbieter unterstützt werden. Künftige Ausschreibungen werden so gestaltet, dass vertrauenswürdige EU-Anbieter bevorzugt werden. Forschungsinitiativen in den Bereichen Cloud-Technologien und 6G-Entwicklung sollen ebenfalls gefördert werden.

7. Koordinierung technischer Standards: EU-weit einheitliche technische Standards für Netzwerk-APIs, Edge-Computing und IoT werden gefördert, ähnlich wie beim Roaming. Eine EU-Behörde mit öffentlicher und privater Beteiligung soll beauftragt werden, Standards zu entwickeln, die Innovation und Wettbewerb erleichtern. Diese Standards sollen in der gesamten EU übernommen werden, um Konsistenz und Verhandlungsstärke gegenüber Nicht-EU-Partnern sicherzustellen.

Der Bericht betont, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen entscheidend dafür sein wird, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU im digitalen Bereich zu bewahren und auszubauen.

 

Quelle: EU-Kommission.

Das könnte Sie auch interessieren

Internationales Regulatorenforum 2023 setzt Fokus auf 5G
Am 16. und 17. Oktober 2023 fand das diesjährige Internationale Regulatorenforum (IRF) in Köln statt. Dieses Jahr wurde die Veranstaltung gemeinsam von der Bundesnetzagentur (BNetzA) und dem International Institute of...
News-Artikel lesen
Telefónica veröffentlicht Positionspapier „The European Single Market and the Telecommunications Sector“
Der Binnenmarkt der Europäischen Union ist ein wirtschaftliches Konstrukt. Er basiert auf dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Dies wird auch als die „vier Freiheiten“ bezeichnet. Ziel...
News-Artikel lesen
Mittelstandsfreundliche Kosten für 5G-Campusnetze
Auf dem Digitalgipfel 2019 in Dortmund hat Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, dass der Wirtschaft günstige Lizenzen für die lokale Nutzung von 5G bereitgestellt werden. In den nächsten Tagen wird die...
News-Artikel lesen
Digitale Transformation in Deutschland
Die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft kommt nur schleppend voran. Laut einer aktuellen Umfrage des Digitalverbands Bitkom sehen 82 Prozent der Unternehmen eine direkte Verbindung zwischen der wirtschaftlichen Krise und der...
News-Artikel lesen
EU genehmigt staatliche Mobilfunkförderung in Italien
Die Europäische Kommission hat nach den EU-Beihilfevorschriften eine italienische Regelung in Höhe von zwei Milliarden Euro genehmigt, die im Rahmen der Recovery and Resilience Facility (RRF) für den Ausbau leistungsfähiger...
News-Artikel lesen
Sicherheitsbedenken bei Open RAN
Die EU-Mitgliedstaaten haben in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und der EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) einen Bericht über die Cybersicherheit von Open RAN veröffentlicht. Laut den Autor*innen wird diese Art...
News-Artikel lesen
Sukzessive Verbesserung der Breitbandversorgung in Deutschland
Die Bundesnetzagentur hat ihren Tätigkeitsbericht aus dem Bereich Telekommunikation 2018/2019 veröffentlicht. Der Vizepräsident der Bundesnetzagentur Dr. Wilhelm Eschweiler hebt die bisherigen Tätigkeiten für den Festnetz- und Mobilfunkausbau hervor. Fundamente der Aktivitäten...
News-Artikel lesen
EU und Japan vertiefen digitale Partnerschaft beim dritten Digitalrat in Tokio
Die Europäische Union und Japan haben bei ihrem dritten Digital Partnership Council in Tokio ihre digitale Zusammenarbeit vertieft.
News-Artikel lesen
Mehr Tempo beim Mobilfunk- und Glasfaserausbau
BREKO und MIG verständigen sich auf Zusammenarbeit Um die Funklöcher der deutschen Mobilfunknetze weiter zu schließen, haben der Bundesverband Breitbandkommunikation e.V. (BREKO) und die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft mbH (MIG) auf eine Zusammenarbeit...
News-Artikel lesen
NRW soll Digitalisierung prägen und vorantreiben
12.04.2019 Die unter Beteiligung der Öffentlichkeit entwickelte Digitalstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen wurde nun vorgestellt. Die Landesregierung beschreibt darin die Chancen der Digitalisierung für die Menschen in Nordrhein-Westfalen und benennt über...
News-Artikel lesen
Welchen Nutzen hat 5G für Verbraucher?
17.05.2019 Ericsson veröffentlicht einen neuen ConsumerLab-Report zum Thema 5G Consumer Potential. Der Report überprüft die Annahmen der Branche rund um den Wert von 5G für die Verbraucher und skizziert die...
News-Artikel lesen
300-fache Steigerung des Mobilen Datenverkehrs in den letzten 10 Jahren
Den rasend schnellen Wandel der mobilen Kommunikation hat wahrscheinlich jede Person sowohl im Privaten als auch im Beruf erlebt. Das macht auch Fredrik Jejdling, Executive Vice President und Head of...
News-Artikel lesen